Übersetzungen zwischen Ost und West
Osho (1931-1990) und die Sprache des Religiösen
Bhagwan Shree Rajneesh, der sich ab 1989 Osho nannte, war der bekannteste der indischen Gurus, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch im Westen viele Anhänger*innen hatten.
Die Reden, die der ehemalige Philosophieprofessor zwischen 1962 und 1989, mit einer Pause zwischen 1981 und 1984, fast täglich erst in Hindi, später in Englisch hielt, wurden zu seinen Lebzeiten in rund 350 Büchern mit ca. 39.500 Seiten publiziert. Seit seinem Tod 1990 vermarktet Oshos Nachlassverwalter, der sogenannte Inner Circle, Oshos Discourses in immer wieder neuen Zusammenstellungen. Zurzeit (2022) sind bei Amazon weltweit etwa 2.000 Buchtitel mit „Osho“ als Autor lieferbar. Osho ist, was Publikationen angeht, mit Abstand der fortwährend erfolgreichste der neuen „spirituellen“ Lehrer*innen des 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Kein anderer indischer Guru hat eine solche posthume internationale Karriere gemacht wie Osho.
Zu seinen Lebzeiten jedoch war Provokation Oshos Markenzeichen. Er und seine Bewegung waren ständig in den Medien präsent. Das skandalträchtige Image hat neben der schieren Größe seines schriftlichen Werks dazu geführt, dass letzteres trotz seiner enormen Breitenwirkung bis heute wissenschaftlich nicht untersucht worden ist: eine Forschungslücke, die dieses Dreijahres-Projekt schließen will.
Es untersucht die Rolle Oshos und seiner Reden im globalen Transfer von Begriffen und Werken und dessen Rückkopplung auf die indische Gesellschaft. Methodisch wird in einem ersten Schritt die Selbstinszenierung Oshos als „globaler Guru“ und die Pragmatik seiner „Discourses“ untersucht. In einem zweiten Schritt erfolgen eine computergestützte Erfassung seines Wortschatzes und begriffs- und metapherngeschichtliche Einzeluntersuchungen. Abschließend wird das Nachleben Oshos in der gegenwärtigen indischen Gesellschaft als Wiederaneignung eines globalen religiösen Phänomens behandelt.