Die Macht der Freiheit

Säkularisierung als Ethos

Das Projekt schlägt eine genuin philosophische Variante des Säkularisierungsbegriffs vor, die von den üblichen Verwendungsweisen des Begriffs keineswegs abgedeckt wird, und mit der zu tiefgreifenden Veränderungen Stellung genommen werden kann, die das kulturelle Selbstverständnis seit dem 18. Jahrhundert geprägt haben: Säkularisierung als Ablösung der Führungsrolle, welche die theologische Denkform für die Artikulation einer Welt- und Wirklichkeitsdeutung in Anspruch nahm, durch eine sich von der Theologie emanzipierende eigenständige philosophische Denkform. Kants Streit der Fakultäten thematisiert diesen Umbruch. Zugleich demonstriert Kants Philosophie in paradigmatischer Weise den Anspruch, der hier: christlichen Religion un-ter den Bedingungen eines strikt durchgeführten methodischen Agnostizismus gerecht zu werden. Die sich aus der Theologie emanzipierende Philosophie hat seit Kant die Theologie als theoretische Ressource einer gebildeten begrifflichen Selbstvergewisserung der Gegenwart zunehmend ersetzt. Und die Gegenwart ist - in Anlehnung an Kants bekanntes Diktum - noch längst nicht säkularisiert genug, weil der Anspruch, der Religion unter der Voraussetzung der philosophischen Denkform gerecht zu werden, keineswegs eingelöst ist. In diesem Sinne bezeugt die in der Gegenwartsphilosophie mehrheitlich gepflegte religiöse Indifferenz geradezu einen Mangel an Säkularisierung.

Das avisierte Projekt ist dem Anspruch Kants verpflichtet und bemüht sich in Aus-einandersetzung mit Kant, Sören Kierkegaard, Georg Simmel und Helmuth Plessner darum, dem methodischen Agnostizismus auf dem Weg einer normativen Rekonstruktion des Begriffs persönlicher Freiheit im Lichte einer nachmetaphysischen, genuin philosophischen Transzendenzorientierung zu entsprechen. Die durch diese Autoren gebildete Konstellation ist ein Schlüssel zum Verständnis der Grundschichten des modernen Individualismus und zur Verteidigung seines Geltungsanspruchs aus einer zugleich säkularisierungs- und freiheitstheoretischen Perspektive.

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PD Dr. Magnus Schlette

Individual Researcher

magnus.schlette@fest-heidelberg.de