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„Religiöse Influencer*innen in sozialen Medien sind kaum erforscht"

Interview zum DFG-geförderten Projekt REDiCON mit Anna Neumaier

Frau Neumaier, können Sie kurz Ihre Position am CERES beschreiben?

Ich bin dort Professorin für Religionswissenschaft. Mein Forschungsfeld ist der gegenwärtige Wandel von Religion und Religiosität im deutschsprachigen Raum. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Bedeutung von digitalen, vor allem sozialen Medien und der Frage, wie sie das religiöse Feld verändern, indem sie etwa bestehende Strukturen und Routinen in Frage stellen.

Wann startet das neue Projekt REDiCON (Religion – Digitalität – Konfessionalität)?

Wir werden im Wintersemester 2023/2024 offiziell starten. Beteiligt sind ja vier Kolleg*innen und Standorte – außer Bochum sind das Prof. Viera Pirker an der Uni Frankfurt a.M., Prof. Manuel Stetter an der Uni Rostock und Dr. Bernhard Lauxmann an der Uni Wien – und wir versuchen, alle einigermaßen gleichzeitig im Oktober die Arbeit aufzunehmen. Gerade läuft der Auswahlprozess für die Mitarbeiter*innenstellen.

Was werden Inhalte sein?

Unser empirisches Feld wird das christliche Influencing auf YouTube sein. Christliche (und auch andere religiöse) Influencer*innen in sozialen Medien sind wirklich kaum erforscht, haben aber eine große Relevanz gerade in den Generationen und Gruppen religiöser Menschen, die nicht das klassische Kirchgangsmilieu ausmachen. Da wir eine größere Forschungsgruppe sind, haben wir auch endlich einmal die Möglichkeit, verschiedene Forschungsperspektiven zu kombinieren: Wir werden sowohl auf die Content Creators schauen als auch auf den Content selbst, und schließlich – das ist das Bochumer Teilprojekt – auch die Rezeption und Rezipient*innen erforschen.

Das Ganze ist natürlich kein Selbstzweck, sondern in eine systematische wissenschaftliche Fragestellung eingebunden: Vor allem interessiert uns, wie in diesem Feld Konfession, Konfessionalität und Bekenntniskulturen neu verhandelt werden. Mit qualitativ-empirischer Forschung und einem praxistheoretischen Ansatz werden wir also „doing confessionality“ unter den Bedingungen sozialer Medien und einer mediatisierten christlichen Gegenwartskultur in den Blick nehmen.

Welche Herausforderungen gab es bei der Antragsstellung?

Einen Antrag zu schreiben, ist natürlich immer viel Arbeit. Dieser hat uns besonders viel Zeit gekostet, weil wir vier Antragsteller*innen insgesamt zwei Jahre kontinuierlich im Austausch standen, und immer weiter an unserem Vorhaben gefeilt haben. Diese Gründlichkeit hat dem Antrag wirklich gut getan, glaube ich. Anschließend mussten wir, nicht zuletzt aufgrund der internationalen Abstimmungsprozesse zwischen den verschiedenen beteiligten Förderinstitutionen, noch beinahe zwei Jahre auf die Entscheidung über die Förderung warten – in der Zeit wurden Kinder geboren, Rufe angenommen, Lebensmittelpunkte verändert… Gleichzeitig war der Austausch im Kolleg*innenkreis wirklich ausnahmslos bereichernd und produktiv, so dass die Arbeit am Antrag ausgesprochen viel Spaß gemacht hat. Ich bin darum zuversichtlich, dass die Arbeit im Projekt ebenso ausfällt, und freue mich schon sehr, dass es nun tatsächlich losgehen darf.

Können Sie etwas mehr zur DFG-Förderung erzählen?

Das Projekt ist in der WEAVE-Förderung angesiedelt, dort werden bi- oder trilaterale Forschungsprojekte in der Kooperation von Wissenschaftler*innen an Universitäten in Duetschland, Österreich und der Schweiz gefördert. Beantragt – und bewilligt bekommen – haben wir mehrere Stellen für Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, die nun an den unterschiedlichen Standorten angesiedelt sind. Das Projekt läuft über 3 Jahre, die Arbeit darin lässt sich also gut z.B. mit einer Dissertation zum gleichen Thema zusammenbringen. Wir haben zudem tolle Kooperationspartner*innen an weiteren Standorten und planen natürlich auch entsprechende Workshops und Veröffentlichungen.

Was erwarten Sie sich von REDiCON?

Einerseits natürlich Einblicke in unser Forschungsfeld und Aufschluss zu unseren Fragen: Nach dem Wandel von Konfession(alität) und Bekenntniskultur, aber dazu gehören auch Subfragestellungen wie nach diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken der Selbstthematisierung, der Artikulation von Zugehörigkeit und der Markierung normativer Ansprüche – also zu den großen systematischen Fragen nach Identität, Gemeinschaft und Autorität im Kontext digitaler Religion. Gerade im Bochumer Teilprojekt kommt außerdem die Frage dazu, wie dieser Content christlicher Influencer*innen überhaupt rezipiert wird, was meines Erachtens bisher eine besonders große Black Box ist. Last but not least können wir damit hoffentlich auch eine größere Aufmerksamkeit für dieses Forschungsfeld schaffen, das für viele religiöse Menschen von großem Belang ist und sicher vorerst bleiben wird.

Vielen Dank für das Interview!