Armenia Entangled
Reimagining Cultural Encounters and Connectivity in Medieval Eurasia 9th - 14th Century
Das ERC-Projekt Armenia Entangled erforscht die weitverzweigte Geschichte des armenischen Hochlands und seiner angrenzenden Gebiete. Das Projekt wird an der Universität Florenz (Italien) unter der Leitung von Prof. Dr. Zara Pogossian durchgeführt. Ein Teilprojekt ist am Centrum für Religionswissenschaft (CERES) der Ruhr-Universität Bochum angesiedelt und wird von zwei Expertinnen auf dem Gebiet der zwischenreligiösen Begegnungen im Mittleren Osten, Prof. Alexandra Cuffel und Dr. Barbara Roggema, realisiert.
In dem Gesamtprojekt soll ein neuer Rahmen für die Untersuchung von Armenien als Raum intensiver kultureller Verflechtungen zwischen dem 9. und 14. Jahrhundert sowohl entwickelt als auch erprobt werden. Dabei wird die Geschichte insbesondere der armenischen Hochebene sowie das darüber weit hinausreichende Gebiet, das vom südlichen Kaukasusgebirge bis ins anatolische Hochland einerseits und ins nördliche Mesopotamien andererseits reicht, als Schlüssel betrachtet, um diesen Teil des mittelalterlichen euroasiatischen Doppelkontinents zu verstehen. Paradoxerweise lag diese Region zwar an der Kreuzung der expandierenden eurasischen Großreiche und war Schnittstelle von diversen Bevölkerungsbewegungen - sie befand sich aber zugleich abseits der Machtzentren in der Peripherie. Der dadurch entstandene Polyzentrismus, die sich herausbildende politische, ethno-linguistische sowie religiöse Heterogenität, aber auch die sich regelmäßig wechselnden hegemonischen Abhängigkeiten stellen historische Schlüsselaspekte dieser miteinander verflochtenen Landschaften dar. Dieses einzigartige Zusammenwirken von Fluidität und Komplexität hinterließ unweigerlich seine Signaturen auch in den regionalen Kulturprodukten, seien sie textueller oder materieller Natur.
Daher hat es sich Armenia Entangled zum Ziel gesetzt, die geteilten Besonderheiten, wie sie in den mehrsprachigen Texten, Gegenständen und Kunstobjekten Armeniens zu finden sind, nachzuverfolgen und sie sowohl mit der Verbreitung von Ideen und Konzepten als auch mit dem alltäglichen Austausch zwischen unterschiedlichen Gruppen in Beziehung zu setzen, damit sowohl Orte als auch Handelnde dieser Verflechtungen identifiziert werden können. Der umfangreiche aber bisher nicht voll erschlossene Korpus armenischer Schriften, der zusammen mit arabischen, georgischen, griechischen, persischen, syrischen und türkischen Quellen untersucht werden soll, gibt Aufschluss über die vielfältigen kulturellen Verflechtungen zwischen muslimischen Arabern, christlichen Arabern, Untertanen des Byzantinischen Reiches, syrischen Christen, Georgiern, kaukasischen Albanern, einigen türkisch-muslimischen Dynastien, Kurden, Iranern, westlichen Europäern und Mongolen, welche die Region entweder bewohnt, erobert oder durchquert und ihrerseits kulturelle Spuren hinterlassen haben.
Das Projekt versucht, die Region Armenien transkulturell zu deuten und schlägt damit einen Bogen von den Regionalstudien zu unterschiedlichen Disziplinien wie etwa der Philologie, der Literaturwissenschaft, der Religionswissenschaft, der Kunstgeschichte, der Numismatik und anderen. Dadurch soll versucht werden, eine narrative Synthese zu finden, in der sich die Dynamiken der interkulturellen Verflechtungen in ihren räumlichen und zeitlichen Dimensionen abzeichnen lassen.
Innerhalb des Bochumer Teilprojektes untersucht Barbara Roggema (CERES) diverse mittelalterliche Textquellen, um die Geschichte der religiösen Beziehungen zwischen Armenien und verschiedenen religiösen Gruppen des Mittleren Ostens nachzeichnen zu können. Sie erforscht dabei insbesondere bislang kaum untersuchte arabische und syrische Texte, welche von religiösen Konfrontationen aber auch Austauschhandlungen zwischen armenischen Christen, syrischen Christen und Muslimen berichten. Zusammen mit Zara Pogossian analysiert sie z. B. die Polemik Abrahams von Tiberias, im Original auf Arabisch verfasst und dann ins Armenische übersetzt, aber auch armenische Quellen über das Leben des Propheten Muhammad.
Prof. Alexandra Cuffel (CERES) richtet ihre Forschung auf Epen und betrachtet die Rolle von Frauen als kulturelle Vermittlerinnen zwischen religiösen und ethnischen Gruppen. Roggema und Cuffel tragen damit auch zur Konzeptualisierung des theoretischen Rahmens bei, die die Untersuchung derartiger kultureller Verflechtungen unter den Bedingungen der Abwesenheit einer hegemonische Macht, einer Leitkultur oder einer religiösen Einheit erst ermöglicht.
Förderzeitraum
10.2020 – 09.2025