Neues DFG-Projekt zur Entstehung der „Alten Schule“ im tibetischen Buddhismus
Ein internationales Team unter der Leitung von Prof. Dr. Carmen Meinert (CERES) untersucht tibetische Quellen des 12. Jahrhunderts, um herauszufinden, wie sich der Buddhismus im zentralasiatischen Hochland mit seinen lokalen Eigenheiten entwickelte. Dafür erhält sie eine DFG-Förderung für zwei Jahre.
Das DFG-Forschungsprojekt Nyang ral's codification of rNying ma literature and ritual. A study of Tibetan sources for the formation of Tibetan Buddhism (10th to 12th c.) untersucht die umfassende Neuinterpretation der schon vierhundert Jahre zuvor nach Tibet gelangten buddhistischen Tradition im 12. Jahrhundert. Die als Nyingma bekannte Tradition zeichnet sich dadurch aus, den indischen Tantrismus an die tibetische Kultur und Ideenwelt anzupassen und den schriftlichen Kanon für Offenbarungen und Wiederentdeckungen zu öffnen und somit fortwährend ergänzen zu können. Zentral für die Nyingma-Tradition ist einerseits die Etablierung einer Erbfolge religiöser Autorität und andererseits die besondere Bedeutung der Gottheit Dorje Phurpa.
Die Neuinterpretation der „Alten Schule“ – wie die Nyingma-Tradition auch genannt wird – geht im Wesentlichen auf den Gelehrten Nyang ral Nyi ma'i 'od zer (1124 bis 1192) zurück. In seinem 13 Bände umfassenden Werk Kagye Deshek Dupa (bKa' brgyad bde gshegs 'dus pa) kodifiziert er den Nyingma Tantrismus in eine noch heute verwendete Version. Dieses Werk gilt historiografisch als eigentliche Geburtsstunde der Nyingma Tradition.
Obwohl die Schriftenreihe Kagye Deshek Dupa zentral für die Religionsgeschichte Tibets ist, ist sie weitestgehend unerforscht. Das DFG-Projekt widmet sich diesem Forschungsdesiderat. Aufgrund des Umfangs der Schriftenreihe, geht der Forschungsfokus insbesondere auf jene Teile, die der Nyingma Tradition wichtigen Gottheit Dorje Phurpa gewidmet sind.
Diese thematische Eingrenzung widerspiegelt auch jüngste Funde von buddhistischen Handschriften aus den Sammlungen von Dunhuang, einer zentralasiatischen Oasenstadt und mittelalterlichem Zentrum buddhistischer Kultur. Die gefundenen Schriften haben dem Gelehrten Nyang ral mit großer Wahrscheinlichkeit als Grundlage gedient, um die zentralen Teile seiner Abhandlung zu Dorje Phurpa zu formulieren.
Die Ziel des Projektes ist es, Nyang rals Beschreibung der Gottheit Dorje Phurpa philologisch, historisch und ideengeschichtlich zu rekonstruieren und dessen Wirkungsmacht auf spätere Generationen von Anhängern der Nyingma Tradition nachzuzeichnen. Ins DFG-Projekt werden zwei ehemalige KHK Research Fellows eingebunden sein.