Neues Buch von Alexandra Cuffel zu interreligiösen Dynamiken der Identitätsbildung im Mittelalter
In ihrem neuesten Buch Shared Saints and Festivals in Three Faiths: Shared Religious Practices and Polemics in the Medieval Mediterranean widmet sich Alexandra Cuffel den Dynamiken religiöser Interaktionen jüdischer, christlicher und muslimischer Menschen im Mittelalter. Im Fokus der Untersuchung steht vor allem die Analyse von gemeinsamen Praktiken im Kontext von religiösen Festen und Pilgerreisen im Mittelmeerraum. Diesbezüglich untersucht Cuffel, welche Bedeutung die Anwesenheit des ‚religiösen Anderen‘ an heiligen Orten und bei rituellen Praktiken für jede der drei Gemeinschaften hatte.
Insbesondere bei Pilgerreisen und religiösen Festen wurden, wie Cuffel aufzeigt, bestehende Grenzen zwischen den religiösen Gemeinschaften aufgeweicht, neu gezogen oder sogar vollkommen aufgehoben – zumindest zeitweise. Anhand des untersuchten Quellenmaterials lässt sich jedoch nachvollziehen, dass gemeinsam praktizierte Riten paradoxerweise die Tendenz, sich gegen die Anderen abzugrenzen, förderten. Im mittelalterlichen Europa gingen die Christen manchmal sogar so weit, Juden und Muslime zur Teilnahme an christlichen Prozessionen und ritueller Gewalt zu zwingen, um die christliche Dominanz und religiöse Überlegenheit zu unterstreichen. Religiöse Eliten prägten polemische Interpretationsmuster in Bezug auf geteilte religiöse Praxis. Das Anderssein wurde als zentrales Motiv der Identitätsbildung beansprucht und so die Überlegenheit des eigenen Glaubens betont. Dies prägte nachhaltig das theologische Selbst- und Fremdverständnis der religiösen Gemeinschaften.
Die Publikation leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Vielschichtigkeit religiöser Begegnungen, der Strategien der Grenzziehung im Mittelalter und zeigt auf, wie sich religiöse Identitäten in einem dynamischen Prozess zwischen Begegnung und Abgrenzung formten. Die Auseinandersetzung mit Cuffels Werk ist sicherlich auch über den historischen Forschungsgegenstand hinaus in Bezug auf überzeitliche Fragen des Zusammenlebens in religiös vielfältigen Gesellschaften von Interesse.
Das Buch ist als Open-Access-Publikation über folgenden Link zugänglich: https://directory.doabooks.org/handle/20.500.12854/135808