Forschungsschwerpunkt Missionssammlungen
Kultur- und Religionskontakt am Beispiel missionsgeschichtlicher Sammlungen
Die von Missionaren zu unterschiedlichen Zwecken gesammelte Objekte gelten als Zeugen und Vermittler religiöser und kultureller Kontakte. Das Projekt konzentriert sich auf die Kontakte zwischen den christlicheneuropäischen Kulturen und außereuropäischen Traditionen, zum Beispiel in Süd-, Südost- und Ostasiens, aber auch in anderen Regionen.
Der konzeptionell und methodisch innovative Ansatz des Projekts liegt in seiner bewusst geplantenInterdisziplinarität. Vertreterinnen und Vertreter der Ethnologie, Volkskunde, Kunstgeschichte Süd- und Ostasiens, Indologie, Sinologie, Archäologie und verschiedener Regionalwissenschaften arbeiten zusammen und befassen sich mit den Beständen missionsgeschichtlicher Provenienz.
Die Lage der in Umfang und Zusammensetzung höchst unterschiedlichen Missionssammlungen stellt sich in mancherlei Hinsicht problematisch dar. Oft handelt es sich um private Sammlungen im Besitz von Orden oder Missionsgesellschaften. In Ausnahmefällen befinden sich Sammlungen oder Teilbestände in Einrichtungen mit öffentlicher Trägerschaft, z. B. in ethnologischen oder stadthistorischen Museen. Erhalt, Dokumentation und wissenschaftliche Erschließung solcher Sammlungen sind in vielen Fällen von ihren Besitzern nicht vollumfänglich zu leisten. Der Charakter der Sammlungen reicht von ungerichtet zusammengetragenen Einzelobjekten (häufig Mitbringsel und Geschenke), über thematisch und regional strukturierte Sammlungen, die von Angehörigen eines Ordens oder eines Missionswerks angelegt wurden, bis zu umfangreichen Sammlungen, die auf Grundlage eines klar umrissenen (Aus-)Bildungsziels entstanden sind.
Mit Blick auf den Erhalt dieser Sammlung besteht eine Herausforderung darin, dass die meisten Orden und Missionsgesellschaften gegenwärtig weder über ausreichende Mittel noch über personelle Kapazitäten verfügen, um die Objektbestände zu betreuen. Überalterung und sinkende Finanzmittel haben in den vergangenen Jahren mehrfach zur Aufsplitterung von Sammlungen, zur Schließung von ordenseigenen Museen (z. B. Haus Völker und Kulturen der Steyler Missionare in St. Augustin) oder zu ihrer Übernahme durch neue Träger (z. B. Museum Forum der Völker der Franziskaner in Werl) geführt. Weitere Missionswerke und Orden befinden sich im Prozess der Aufgabe einzelner Niederlassungen. All diese Umstände bedrohen einen Korpus an Objekten, Dokumenten und Archivalien, der in seiner Gesamtheit die Basis für bedeutende religionswissenschaftliche, missions- und kirchengeschichtliche, historisch-soziologische und wissenschaftsgeschichtliche Forschung bilden kann. Neben der in manchen Fällen konkreten Bedrohung der Sammlungen durch fehlende finanzielle und personelle Möglichkeiten besteht zudem eine indirekte Herausforderung: Missionssammlungen werden im aktuellen kulturpolitischen Diskurs häufig pauschal als Ausdruck kolonialer Herrschaft diskutiert. Eine Engführung der Beschäftigung mit Missionssammlungen auf diese Frage gefährdet den Erhalt der Sammlungen zu Forschungszwecken.
Das CERES sieht seine Aufgabe darin, durch den Austausch mit unterschiedlichen Akteuren Lösungsansätze zu finden, die zum Erhalt der Sammlungen und/oder ihrer wissenschaftlichen Erforschung beitragen. Zudem besteht im Falle der Schließung einer Sammlung immer die Frage, wo die Bestände untergebracht werden können. Das CERES selbst hat seit Juli 2021 eine kleine missionsgeschichtliche Sammlung der „Afrikamissionare – Weisse Väter e.V.“ aus Köln als Schenkung erhalten. Diese Sammlung enthält neben ethnographischen Objekten und kunsthandwerklichen Gegenständen umfangreiches Archivmaterial.
Zudem zählt die Inventarisierung größerer Sammlungsbestände zu den wichtigsten Aufgaben der näheren Zukunft. Gegenwärtig ist nicht bekannt, wie viele Sammlungen im Besitz von Orden und Missionsvereinen oder Missionswerken existieren. Ebenso fehlt bisher ein Konzept, das eine sachgerechte Erschließung und Inventarisierung sicherstellt. Hier kann das CERES in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern wertvolle Expertise zur Verfügung stellen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Digitalisierung. Die Vorteile einer Digitalisierung, die mit der Inventarisierung einhergehen, liegt auf der Hand: Neben textlichen Beständen könnten 2D- und 3D-Fotografien angefertigt und somit der Zugriff auf das Material dauerhaft gesichert werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hätten zudem die Möglichkeit, international auf das Material zuzugreifen. Mit dem BMBF-Projekt „Digitalisierung Gandharischer Artefakte: Ein Vorhaben zur Bewahrung und Erschließung der buddhistischen Kunst Pakistans“ (DiGa) hat das CERES im Bereich der Digitalisierung skulpturaler Objekte bereits eine hohe Expertise, die sich auch hier mit einbringen lässt.
In einem Pilotprojekt wurde bereits eine Sammlung im Auftrag des CERES digital und als virtuell begehbarer Raum zur Verfügung gestellt. Unter https://pages.ceres.rub.de/religionskundliche-sammlung-wwu/ kann man die Religionskundliche Sammlung der WWU Münster besichtigen, mit der das CERES bereits seit Jahren kooperiert. Ausgewählte Objekte können angeklickt werden, um weitere Informationen zu erhalten. Die Religionskundliche Sammlung wurden in den 1950er Jahren vom damaligen Professor für Religionswissenschaft, Anton Antweiler, eingerichtet und beinhaltet einen kleinen Bestand aus der Pallottiner-Mission in Australien.
Dennoch sind die Inventarisierung und Digitalisierung nur ein erster Schritt für die weitergehende wissenschaftliche Analyse. Die Forschung am CERES erfolgt religionsvergleichend, soziologisch, und (kunst-)historisch.
Die Vermittlung von Forschungsergebnissen außerhalb des universitären Umfeldes ist für das CERES ebenfalls eine zentrale Säule. Daher sollen auch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Missionssammlungen zukünftig in Form von Ausstellungen einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden.
Diese zahlreichen, durchaus vielfältigen Aufgaben, die sich in Bezug auf missionskundliche Sammlungen stellen, können nicht von einer Einrichtung allein bewältigt werden. Im Dialog mit den verschiedenen Akteuren soll gemeinsam eine bestandserhaltende und forschungsfreundliche Strategie erarbeitet werden, um den umfangreichen Materialbestand fortan nachhaltig zu sichern. Zu den am CERES tätigen Forschenden gehören Expertinnen und Experten mit ausgewiesener Sachkenntnis historischer und gegenwärtiger Religionen. Damit sieht sich das CERES als Teil eines breit aufgestellten Netzwerks von Akteuren aus dem Bereich der Kulturpolitik und -förderung, Museen und Sammlungen sowie Universitäten.
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