Lunchbox Lecture: Das Depot als spirituelles Endlager? Religiöse Metaphern in der ethnologischen Museumsarbeit
CERES-Palais, Raum "Ruhrpott" (4.13)
Gastvortrag von Dr. Lars Frühsorge (Direktor der Sammlung Kulturen der Welt, Lübeck)
"Das Depot als spirituelles Endlager? Religiöse Metaphern in der ethnologischen Museumsarbeit"
Eine besondere Herausforderung für ethnologische Museen ist der Umgang mit religiös bedeutsamen Beständen. So können bestimmte „Objekte“ aus Sicht der Herkunftsgemeinschaften als lebendige Wesen, als machtvoll oder sogar gefährlich gelten. Sie dürften entsprechend nur Männern, Eingeweihten einer Glaubensgemeinschaft oder überhaupt nicht gezeigt werden. Auch Rückgaben sind nicht immer erwünscht, etwa wenn das Wissen um den richtigen rituellen Umgang durch den Kolonialismus vernichtet wurde oder sich die Gemeinschaften selbst heute als rein christlich verstehen. All diese Zuschreibungen sind im Zeichen von Kolonialismus und Globalisierung keinesfalls statisch, es sind sowohl (post-)koloniale Prozesse der Desakralisierung als auch Zuschreibungen neuer religiöser Bedeutungen bei vormals eher profanen Objekten nachweisbar. Ähnlich komplex verhält es sich mit sterblichen Überresten, die unter oft problematischen historischen Bedingungen ihren Weg nach Europa fanden. Ihr Verbleib in den Museen aber auch ihre Rückgabe machen bisweilen die Entwicklung neuer religiöser Ausdrucksformen erforderlich. Sowohl Mitarbeitende der Museen als auch Gäste aus den Herkunftsgemeinschaften bedienen sich dabei einer Fülle von Metaphern, um ihren Perspektiven in diesem ebenso dynamischen wie komplexen Spannungsverhältnis von Wissenschaft, Religion und kolonialer Schuld Ausdruck zu verleihen. Dabei werden teils radikale Metaphern verwendet, sei es das Archiv als "spirituelles Endlager" (zur sicheren Verwahrung nur noch semi-sakraler Ritualobjekte) oder bestimmte Objekte, die als "spirituelle Atombomben" bezeichnet werden, um die Brisanz ihrer Handhabung durch Uneingeweihte zu unterstreichen.