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Neues Forschungsprojekt: Metaphern in spätantiken Konversionsbeschreibungen

Ein neues Forschungsprojekt am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES) widmet sich den Metaphern, die in der lateinischen Spätantike für Glaubensübertritte, bzw. Konversionen, benutzt wurden. CERES-Forscherin Gina Derhard untersucht, wie spätantike Konversionsvorstellungen sprachlich vermittelt wurden und wie dieser besondere Gebrauch von Sprache wiederum religiöse Vorstellungen geprägt hat.

Konversionen nicht ungewöhnlich

Die Spätantike war eine Zeit des allgegenwärtigen Umbruchs – nicht nur politisch, sondern gerade auch religiös: Neue Glaubenswelten zogen ein, veränderten, überlagerten oder verdrängten die antiken polytheistischen Traditionen. Neben neuen Religionen wie den verschiedensten christlichen und manichäistischen Gruppierungen lassen sich auch veränderte Gottesvorstellungen, wie z. B. im Neuplatonismus, finden. Eine einflussreiche Rolle spielten radikale religiöse Lebensentwürfe wie die zumeist christlich gerahmte Askese in der Wüste.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Übertritt zu anderen religiösen Traditionen und Gottesvorstellungen nicht mehr als Ausnahme. Diverse Selbstzeugnisse spätantiker Gelehrter zeigen, dass sie selbst oft zu ihren Lebzeiten mehrfache Glaubenswechsel persönlich durchmachten: Augustinus von Hippo hatte eine christliche Mutter und einen Vater, der der antiken Götterwelt treu war. Er wandte sich in jungen Jahren dem Manichäismus zu und wurde mit Anfang 30 Christ. Heute ist er als Kirchenvater Augustin einschlägig bekannt.

Wie aber wurden derartige Glaubensübertritte in den zeitgenössischen Quellen beschrieben? Welche Metaphern wurden zur Vermittlung des religiösen Wechsels, sei es als Individuum oder als Gruppe, benutzt? Wie werden Konversionen in der Spätantike in Theorien gefasst? Das neue Projekt „Metaphern von Konversion in der lateinischen Spätantike“ erforscht diese Thematik erstmals umfassend. Es fokussiert dabei die Zeit von der Mitte des 3. bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts – eine Epoche, die ungewöhnlich viele religiöse Vorstellungen und im Zuge dessen (Konversions-)Metaphern produziert und kanonisiert hat. Durch den Fokus auf Metaphern soll ein wesentlicher Aspekt der Sprache von Konversion untersucht werden – ein Zugang, der bisher in der Konversionsforschung keinen prominenten Platz eingenommen hat.

Neue Wege in der Konversionsforschung

Dabei geht das Projekt von der Beobachtung aus, dass Metaphern als Modelle von und für Konversionen fungieren können: Einerseits lassen sich Glaubenswechsel mithilfe von Metaphern denken und versprachlichen, andererseits produzieren sie gerade als Sprachbilder neue religiöse Vorstellungen. Das Ziel des Projektes besteht in der präzisen Analyse der Konversionsmetaphern auf drei Ebenen: Erstens sollen unterschiedliche Konversionskonzepte herausgearbeitet werden, indem die Konversionsmetaphern als Minierzählungen verstanden werden. So vermittelt das Zerreißen von Fesseln eine andere Konversionsvorstellung als das Aufschütten eines Berges oder die Ankunft in einem Hafen. Zweitens sollen historische Semantisierungs- und Lexikalisierungsfragen im Hinblick auf die Sprache von Konversion beantwortet werden. Damit soll erforscht werden, welche Metaphern sich bildlich „abgenutzt“ haben und welche ein innovatives metaphorisches Potenzial bergen. In dieser Hinsicht möchte das Projekt eine Lücke der historischen Metaphernforschung schließen. Drittens soll die Bedeutung von Metaphern für das sprachliche Kommunizieren von Konversionen untersucht werden. Auf dieser Ebene wird die Konversion als religiös gedeutetes Konzept betrachtet, das mit Metaphern aus dem bekannten, sinnlich erfahrbaren, immanenten Bereich Sprachbilder für das Unbekannte, Abstrakte, Transzendente findet.