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KHK-Fellow-Interview: "Das lohnenswerteste Jahr"

Ende März 2020 endet die zweite Förderphase des Käte Hamburger Kollegs "Dynamiken in der Religionsgeschichte zwischen Asien und Europa". Als größtes Forschungsvorhaben mit internationaler Reichweite hat es das Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES) in den letzten zehn Jahren enorm geprägt. Zeit also, um in den nächsten Monaten etwas zurück und etwas nach vorne zu blicken und Gastwissenschaftler/innen des KHK zu Wort kommen zu lassen. Den Auftakt macht der 100. Fellow des Kollegs, der US-amerikanische Religionswissenschaftler und Indologe Caleb Simmons. Er ist zur Zeit Assistant Professor an der University of Arizona.

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Wie sind Sie das erste Mal mit dem Käte Hamburger Kolleg in Kontakt gekommen? War das erst bei Ihrer Bewerbung?

Das erste Mal habe ich auf der Jahrestagung der International Association for the History of Religion (IAHR) in Erfurt vom Bochumer Käte Hamburger Kolleg und seinem Fellowshipprogramm gehört. Ich habe da am Infotisch mit der Managing Editor von Entangled Religions, dem Online-Journal des KHK, gesprochen. Sie hat mich über das Kolleg und die Fellowships aufgeklärt. Ich wusste sofort, dass dies der perfekte Ort für mich ist. Danach habe ich mich an meine Bewerbung gesetzt, auch wenn ich eigentlich damals keine Möglichkeit gehabt habe für zwei weitere Jahre Forschungsfreisemester zu nehmen. Der Bewerbungsprozess war einfach, auch weil das Thema des Jahrgangs, für den ich mich bewarb, Transzendenz und Immanenz war und ich mit meinen Forschungsinteressen zum Thema indischer Souveränität daran gut anknüpfen konnte.

Wie war Ihr Forschungsaufenthalt in Bochum?

Mein Forschungsaufenthalt in Bochum war eines der lohnendsten Jahre meines Lebens. Bochum ist eine nette kleine Stadt, die besonders gut an andere große Metropolen und Universitätsstandorte über die Region hinweg angebunden ist. Zusammen mit meiner Partnerin haben wir das Leben in Bochum genossen – und wir vermissen es beide schrecklich. Davon abgesehen ist das KHK ein so lebhafter akademischer Ort, denn fast jeden Tag fanden Vorlesungen, Forschungsworkshops und Konferenzen statt.

Zu welchem Thema haben Sie geforscht und hat das KHK ihre Forschung beeinflusst?

Ich hatte das Gefühl, dass meine eigene Forschung ständig interessanter und auch präziser wurde, nicht zuletzt durch den konstanten Flow von Spitzendiskussionen, die quasi an jeder Ecke stattfanden. Dadurch beeinflusst entwickelte sich mein Forschungsprojekt mehr hin zu einer Studie über die Modi, mit denen die indische Eigenständigkeit in den Anfangsjahren der britischen Kolonialherrschaft über religiöse Ausdrucksformen artikuliert wurde.

Warum ist Ihre Forschung so wichtig für das Verständnis von religiösen Dynamiken und Religionskontakten?

In meiner Forschung untersuche ich, wie Religion als dynamisches Vehikel dazu dient, Sinn und Bedeutung zu konstruieren und zu verhandeln. Das gilt besonders für die Momente der Veränderung und die Kontakte mit anderen Weltanschauungen, Glaubensinhalten und Praktiken. Meine Arbeit fokussiert einerseits die Überschneidungen dieser Momente und andererseits wie das dynamische Wesen der Religion (auch wenn diese oftmals als unveränderlich und ewig angesehen und beschwört wird) Ausdrucksformen anbietet, durch die es indischen Herrschern und ihren Hofstaaten möglich war, religiöse Sprache und Geschichten zu benutzen, um ihre prekäre Eigenständigkeit angesichts der aufkeimenden britischen Kolonialhegemonie zu festigen.

Was charakterisiert das KHK im Vergleich zu anderen Forschungsinstitutionen?

Das wohl wichtigste Merkmal des KHK in Bochum ist sein intellektuelles Ferment. Das wird in den vielen Veranstaltungen und ganz besonders in den Monday Meetings gepflegt. Das Modell, dass sich sowohl heimische als auch alle Gastforscher/innen kontinuierlich treffen und zu einem übergeordneten Thema austauschen, ist absolut brillant und nachhaltig. Dieser Art von Austausch hat das ganze Jahr geprägt. Das wird noch zusätzlich abgerundet durch die immensen Reise-, Forschungs- und Schreibfreiheiten. Das ist die perfekte Balance zwischen vorstrukturierter Gruppenarbeit und individuellen Freiräumen. Das Modell ist äußert effektiv und alle Gastwissenschaftler/innen meiner Kohorte haben deshalb großartige anspruchsvolle Arbeiten produzieren können.  

Welchen Einfluss auf Ihre Forschung hatte der Aufenthalt am KHK Bochum?

Ich rechne dem KHK Bochum hoch an, mir bei dem Reflektieren über mein Forschungsthema hinaus geholfen zu haben. Es ist schon ein schwieriger Prozess den Schritt vom Verfassen einer Doktorarbeit zu einem Forschungsprojekt zu wagen, das ein breiteres Publikum mit dem Aufzeigen von theoretischen Zusammenhängen in Anspruch nimmt. Das KHK Bochum „zwingt“ gewissermaßen die Wissenschaftler/innen ihre eigenen Arbeiten in eine Sprache zu übersetzen, die Religionswissenschaftler/innen von anderen Feldern verständlich finden können. Und dieser Prozess ist super gewinnbringend für alle, die an ihm beteiligt sind.

Zuletzt ein Blick in die Zukunft: Das KHK Bochum mag zeitlich begrenzt sein, aber wie sollte Religionswissenschaft z. B. in etwa zehn Jahren mit Religionsgeschichte umgehen?

Wow. Das ist schwer zu beantworten, aber um ganz ehrlich zu sein: Ich glaube, dass das KHK Bochum seiner Zeit voraus ist und dass in etwa zehn Jahren die Wissenschaft mehr in Richtung dem Leitziel des KHK, über Grenzen hinweg zu denken, tendieren wird. Und damit meine ich bei weitem nicht nur Ländergrenzen, sondern denke daran, Religion über Regions-, Traditions-, Ethnizitätsgrenzen und historische Perioden etc. zu thematisieren, damit man sehen kann, wie Religionskontakte sowohl ein Schlaglicht auf Religionsgruppen werfen als auch diese zu Veränderungen zwingen. Forschung muss dynamisch sein. Das Erforschen von Religionen sollte weiterhin interdiziplinärer werden und die Religionswissenschaft sollte damit fortfahren, verschiedene Medien miteinander ins Gespräch zu bringen, um ein vollständigeres Bild zu bekommen, wie Religion funktioniert und wie sie von ihren Anhängern artikuliert und praktiziert wird.  

Übersetzung: U.P., Nov. 2018