Interview mit Martin Radermacher zur Tagung Missionsgeschichtliche Sammlungen heute
Unter dem Titel „Missionsgeschichtliche Sammlungen heute: Das Museum als Kontaktzone“ fanden sich vom 1. bis 3. Juni 2022 rund 40 Gäste im Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES) an der RUB zu einer Tagung zusammen. Dr. Martin Radermacher, Religionswissenschaftler am CERES, ist Co-Veranstalter der Tagung. Im Interview erklärt er, worum es bei der Tagung ging, was das Interessante an missionsgeschichtlichen Sammlungen ist und welche weiteren Schritte in diesem Kontext geplant sind.
Herr Dr. Radermacher, wie ist das Format dieser Tagung entstanden?
Radermacher: „In der Geschichte des CERES gibt es das KHK, das Käte Hamburger Kolleg. Das KHK ging im Jahr 2020, nach über zehnjähriger Forschungstätigkeit, in eine sogenannte Transferphase. In dieser Phase sollte nicht mehr primär geforscht werden, sondern das erzeugte Wissen sollte transferiert und an eine interessierte Öffentlichkeit herangetragen werden. In diesem Rahmen haben wir verschiedene Formate entwickelt: Eine Vortragsreihe, ein Kinderbuch und auch ein Ausstellungsformat rund um Missionssammlungen. Hierfür haben wir angefangen die unterschiedlichen Sammlungen zu besuchen und diese Kontakte miteinander zu vernetzen. Aus diesem Bestreben, Sammlungen und Forschung zu vernetzen, ist auch diese Tagung entstanden.“
Was ist denn das Besondere an Missionssammlungen?
Radermacher: „In Missionssammlungen kann man Religions- und Kulturkontakt besonders gut sehen. Trotzdem sind sie eine Forschungslücke. Es gibt bereits Literatur dazu, aber nicht allzu viel. Das war ein zusätzlicher Ansporn für uns.“
Die Tagung ist also ein erster Schritt, um diese Forschungslücke zu schließen?
Radermacher: „Genau. Es geht darum, die Situation der Sammlungen gemeinsam zu diskutieren und Perspektiven und Ideen für künftige Kooperationen zu entwickeln. Um das zu erreichen, haben wir Vertreter*innen aus Politik und aus den Landschaftsverbänden und natürlich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom CERES und aus anderen Einrichtungen eingeladen. Die Vorträge sind thematisch sehr divers, teils theoretisch gelagert, aber auch praktisch ausgerichtet, sowohl auf Ausstellungen bezogen als auch auf die Forschung.“
Und was ist das mittelfristige Ziel?
Radermacher: „Unser Ziel ist es, gemeinsam mit Missionsvereinen, Ordenshäusern und Wissenschaftler*innen zu missionsgeschichtlichen Sammlungen zu forschen. Die Tagung stimmt mich hier aber sehr positiv, denn die Umsetzung läuft sehr gut. Alle Akteure, die hier sind, haben großes Interesse und sehen die Notwendigkeit sich zu vernetzen und an einem Strang zu ziehen. Prof. Dr. Markus Hilgert, Vorstand der Kulturstiftung der Länder, sowie María Leonor Pérez Ramírez, Projektkoordinatorin der Kulturstiftung der Länder, waren ebenfalls vor Ort und befürworten unsere Initiative sehr. Auch aus den Sammlungen und Museen nehme ich eine große Bereitschaft wahr, gemeinsam an der Thematik zu arbeiten.“
Gibt es denn auch kritische Stimmen?
Radermacher: „Der Umgang mit kolonialem Sammlungsgut ist in der Öffentlichkeit aus gutem Grund ein heiß debattiertes Thema. Die Selbstwahrnehmung der Orden und Missionsvereine unterscheidet sich von ihrer Wahrnehmung durch Externe, wie z. B. Presse und Politik. Unser Anliegen ist, diesen Diskurs durch differenzierte und sachliche Forschung konstruktiv zu bereichern.“
Welche weiteren Schritte planen Sie am CERES?
Radermacher: „Wir werden weiterhin in dieser Richtung forschen und uns weiter vernetzen. Zudem haben wir unsere eigene Sammlung, eine Zuwendung der Afrika-Missionare „Weiße Väter“. Da möchten wir gerne intensiver reingehen, das soll aufbereitet und dokumentiert werden und ich vermute, dass sich das CERES noch eine ganze Weile mit dem Thema beschäftigen wird. Doch das Wichtigste ist die wechselseitige Unterstützung und die Tatsache, dass man Ressourcen bündeln kann. Was die Sammlungen alleine nicht schaffen, das schafft man möglicherweise, wenn man sich zusammenschließt.“
Sie haben zu Beginn ein Ausstellungsformat erwähnt. Können Interessierte sich denn bereits auf eine konkrete Ausstellung freuen?
Radermacher: „Ja, wir haben ein konkretes Ausstellungsvorhaben mit dem Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln geplant. Die Ausstellung wird 2024/2025 stattfinden.“
Vielen Dank für das Gespräch.