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RELIGION UND MEDIEN

Faszination für den Vatikan trotz Kirchenkrise: Tim Karis im Deutschlandfunk-Interview

Am 22. April 2025 war Tim Karis als Experte für Religion im Rundfunk in der Sendung mediasres des Deutschlandfunks zu Gast. Anlass war der Tod von Papst Franziskus – ein Ereignis, das weltweit mediale Aufmerksamkeit auf sich zog.

Im Gespräch analysierte Karis, warum der Vatikan und das Papsttum trotz kontinuierlich sinkender Kirchenmitgliedszahlen in Deutschland ein so großes öffentliches Interesse hervorrufen. Am Beispiel des verstorbenen Franziskus erläuterte er, dass sich diese Faszination kommunikationswissenschaftlich mithilfe der Nachrichtenwerttheorie erklären lasse. Der Papst erfülle mehrere Kriterien, die ihn aus einer Medienlogik heraus besonders nachrichtenrelevant machen: Er sei eine herausgehobene, international bekannte Persönlichkeit, deren Tod bei vielen Menschen starke emotionale Reaktionen ausgelöst habe. Zudem verfüge das Papsttum über eine jahrhundertelange institutionelle Geschichte, stelle insofern gewissermaßen eine gesellschaftliche Konstante dar. Auch die lange Amtszeit Franziskus' und sein besonderes Verhältnis zu seinem Vorgänger Benedikt XVI. hätten das mediale Interesse, insbesondere in Deutschland, verstärkt.

Spektakel mit Symbolkraft: Warum Medien dem Vatikan kaum widerstehen können

Auf die Frage, ob Medien nicht Gefahr liefen, dem vatikanischen Zeremoniell zu sehr zu erliegen, entgegnete Karis sinngemäß, dass der inszenierungsstarke Stil des Katholizismus ein erhebliches Faszinationspotenzial biete, das sich die Medien zunutze machten – insbesondere der Fernsehjournalismus könne sich den visuell eindrucksvollen Bildern, der Melange aus Spektakel und Pomp, nur schwer entziehen. Karis verwies in diesem Zusammenhang auf die Inszenierung der Papstwahl, die stets von einem Moment des Geheimnisses und der Abgeschlossenheit geprägt sei: Ein Raum werde dabei symbolisch von der Außenwelt abgeschottet, während darin eine Entscheidung von weltgeschichtlicher Tragweite getroffen werde. Dieses Setting sei sowohl religiös bedeutungsvoll als auch medial äußerst wirkungsvoll. Der weiße Rauch, der traditionell die Wahl eines neuen Papstes anzeigt, liefere ein weiteres eindrucksvolles Bild.
Karis merkte an, dass die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF nach dem Tod von Papst Franziskus über weite Strecken von diesem Thema dominiert gewesen seien. Angesichts der schwindenden Relevanz von Kirchenmitgliedschaft und gelebter Religiosität in der deutschen Gesellschaft sei es durchaus legitim, kritisch zu fragen, ob eine derartige Schwerpunktsetzung in der Berichterstattung noch zeitgemäß sei.

Trotz Austritt interessiert: Warum kirchliche Themen medial präsent bleiben

Abschließend wurde Karis gefragt, ob sich die mediale Darstellung von Religion und Kirche im Wandel befinde. Obwohl die Kirchenmitgliedszahlen in Deutschland seit Jahren rückläufig sind, nimmt die mediale Berichterstattung über kirchliche Themen nicht im gleichen Maße ab, konstatierte Karis. Ein möglicher Grund dafür liege darin, dass es in Deutschland weiterhin rund 20 Millionen Katholik*innen gebe – ein erheblicher Teil der Gesamtbevölkerung. Zudem sei zu beobachten, dass viele Menschen sich zwar von der institutionellen Kirche distanzierten, sich aber weiterhin als Christ*innen verstünden. Für diese Gruppe bleibe die Frage relevant, wer der nächste Papst werde und welche Auswirkungen dies auf ihren Glauben und die Kirche insgesamt habe.

Hier geht es zum Interview mit Tim Karis in der Mediathek des Deutschlandfunks: https://www.deutschlandfunk.de/faszination-vatikan-tim-karis-ceres-ueber-die-medien-und-den-toten-papst-100.html