Wissenschaftsgeschichte der Religionsforschung in der BRD (1945-1989)

Als Einstieg wurden repräsentative Religionswissenschaftler der Zeit von 1945-1965 untersucht: Helmut von Glasenapp (Tübingen), Friedrich Heiler (Marburg), Gustav Mensching (Bonn) und Hans-Joachim Schoeps (Erlangen). Um Berührungen zwischen der deutschen und europäischen Forschung aufzuzeigen, wurde der Eranos-Kreis behandelt (Adolf Portmann, Shmuel Sambursky, Henry Corbin, Ernst Benz und Gershom Scholem). Am Beispiel von Georges Dumèzil, der nach 1945 mit seiner Methode der Trifunktionalität die Plattform einer strukturalistischen Diskussion schuf, wurde die Kontinuität der europäischen Indogermanistik demonstriert. Wissenschaftsgeschichtliche Exkursionen, die Michael Gormann-Thelen (Hannover) durchführte, behandelten den katholischen Kunstphilosophen Walter Warnach, den Lateinamerikanisten Hanns-Albert Steger und den Kirchenhistoriker Wolfgang Ullmann.

Das Zentrum des Projektes lag in der Untersuchung der reflexiven Religionsphänomenologie von Carsten Colpe, der Kulturanthropologie von Walter Burkert und der faszinationsgeschichtliche Zivilisationsanalyse von Klaus Heinrich: - Die Hellenismus-Forschungen von Carsten Colpe gingen auf den Orientalisten Hans Heinrich Schaeder zurück. Colpe übertrug dessen Hellenismus-Modell in ein Synkretismus-Modell, das vom alten Iran bis zur Entstehung des Islam makroanalytische Geltung beanspruchte. – Die Kulturanthropologie von Walter Burkert wurde von dem Basler Karl Meuli („Griechische Opferbräuche“,1945) entscheidend beeinflusst. Aus der Anthropologie des opfernden Menschen entwickelte Burkert das Modell des „Homo necans“ (1972), der von intraspezifischer Aggression geleitet wird. – Die Darstellung des Berliner Religionsphilosophen Klaus Heinrich erschloss Kontexte seiner Argumentation. Sie erinnert u. a. an den Orientalisten Walter Braune, der an der Freien Universität Berlin (1948-1969) Islam- und Religionswissenschaft lehrte. Sie schlug einen Bogen, der von Heinrichs Dissertation „Über die Frage“ (1952) zur Habilitationsschrift „Versuch über die Schwierigkeit nein zu sagen“ (1964) und zu den „Dahlemer Vorlesungen“ (1971-1995) reicht.

Die Religionsforschung der BRD wurde von den politisch-sozialen Verwerfungen innerhalb eines zerstörten Landes dominiert, das den wirtschaftlichen Wiederaufbau betrieb. Dabei griff sie einerseits restaurativ auf Methoden von vor 1945 und 1933 zurück, andererseits wurde sie von Paradigmen aus dem europäischem Umfeld bestimmt. Insgesamt stand sie vor dem Problem, den Zivilisationsbruch von Weltkrieg und Völkermord zu thematisieren oder ihn kategorisch zu verdrängen. Implizit rang Religionswissenschaft nach dem 2. Weltkrieg um ein Verständnis des Verhältnisses von Aufklärung und Zivilisation.

Förderzeitraum

2007 - 2009

Publikation