Migration und Religion. Eine historisch-komparative Untersuchung ausgewählter Migrantengruppen
Für die Frage nach der Transformation der Religion in der Moderne spielt die Migration von Menschen unterschiedlicher kultureller und religiöser Prägung eine entscheidende Rolle. Dabei wirken Migration und Religion auf unterschiedlichen Ebenen aufeinander: Mit dem Wechsel aus einem gesellschaftlichen und staatlichen Kontext in einen anderen ist in der Regel ein Bruch in der individuellen Biographie verbunden, der auch Konsequenzen für die Neuverortung der religiösen Orientierung hat. Gleichzeitig sind die Strukturen religiöser Vergemeinschaftung seitens der Migranten durch die Migration einem Wandel unterworfen oder müssen vollkommen neu aufgebaut werden.
Gleichzeitig verändert sich durch die mit der Migration einhergehende Pluralisierung auch die religiöse Landschaft des Aufnahmelands. Bestehende Religionsgemeinschaften müssen sich zu den neuen Bedingungen verhalten. Neue religiöse Gemeinschaften beanspruchen unter Umständen Rechte, die bestehenden Gemeinschaften gewährt werden, was gesellschaftliche Aushandlungsprozesse über diese und weitere Fragen zur Folge hat. In diesem Kontext ist auch die Integration von Migranten eine zentrale Frage. Religiöse Orientierungen und religiöse Vergemeinschaftung können einen bedeutenden Einfluss auf das Gelingen der Integration haben. Im Rahmen der Debatten um die Integration spielt der Faktor »Religion« daher auch eine zunehmend prominente Rolle.
Unter diesen Fragestellungen sollen drei Migrantenpopulationen in vergleichender Perspektive untersucht werden: Orthodoxe Migranten aus Griechenland, muslimische Migranten aus dem Maghreb, sowie russlanddeutsche Aussiedler. Dabei geht es insbesondere darum, die jeweils spezifischen historischen Bedingungen und Entwicklungen nachzuzeichnen sowie um die Frage, wie sich Religion im Migrationskontext verändert und welche Wirkungen Religion auf den Migrations- und Integrationsprozess hat. Dies soll auf der Mikroebene hinsichtlich individueller Religiosität und ihrer Wirkung auf Identitätsbildung und Lebensführung sowie auf der Mesoebene hinsichtlich religiöser Gemeinschaftsbildung untersucht werden. Dabei sollen im Vergleich der verschiedenen Migrantenpopulationen sowie der Migrantengenerationen spezifische Bedingungen sowie historische Transformationsprozesse identifiziert und analysiert werden. Daraus ergeben sich weitere Fragen:
- Wie kam es zur organisatorischen Entwicklung religiöser Sozialformen? Inwieweit haben religiöse Vertreter aus den Heimatländern bzw. Ansprechpartner im deutschen Kontext diese Prozesse gesteuert oder unterstützt? Wo gab es Formen echter religiöser Selbstorganisation?
- Inwiefern verlaufen Vergemeinschaftungsprozesse im Einzelfall über Religion?
- Welche Wechselwirkung gibt es zwischen religiöser Vergemeinschaftung und individueller Religiosität?
- Wie verändern sich religiöse Vorstellungen und Praktiken im Migrationskontext und im Integrationsprozess?
- Warum und wie kommt es zur Ausbildung exklusiver religiöser Gruppen und fundamentalistischer Tendenzen?