Die Formierung von Reinheitskonzeptionen in der Tora und im Ezechielbuch als Voraussetzung einer kulturellen und religiösen Leitdifferenz im Frühjudentum

Das Projekt soll: a) die Reinheitskonzepte in der Tora und in Ez differenziert beschreiben und vergleichend analysieren, b) das exegetische und literarhistorische Profil des Reinheitskonzeptes im Buch Numeri vertiefend erarbeiten und c) Spuren der Rezeption differenzierter Reinheitskonzeptionen im Judentum des zweiten Tempels und im Frühjudentum verfolgen. Dazu ist eine systematisierende Entfaltung des Reinheitsbegriffs Voraussetzung. Der erste Teil des Projektes soll die Reinheitskonzeptionen der Tora differenzieren und in materialer, philologischer und literaturhistorischer Hinsicht profilieren und mit religionssystematischen und religionshistorischen Fragestellungen ins Gespräch bringen, um so die Leitkategorie der Reinheit und ihren Zusammenhang mit der Kategorie der Heiligkeit in der Tora präziser einordnen und die Voraussetzungen für die Rezeption im Frühjudentum klären zu können.

Das Projekt geht von drei Leitfragen aus: Wie ist das Verhältnis von Reinheit und Heiligkeit genauer zu beschreiben? Wie verhalten sich materiell-kultische und moralisch-ethische Reinheit zueinander? Dient die Reinheit zur Grenzziehung nach außen oder zur Binnendifferenzierung einer Gemeinschaft? Auf der Grundlage einer definitorischen Klärung des Reinheitsbegriffs, werden die Reinheitskonzepte der Tora miteinander verglichen und ihre Funktion in der Komposition des Pentateuch geklärt. Das Reinheitskonzept des Ezechielbuches wird dabei in korrektiver Funktion zum Vergleich herangezogen und flankiert Überlegungen zur literarhistorischen und sozialgeschichtlichen Einordnung der Reinheitskategorie. Daneben werden religions-vergleichende Fragen zur Relevanz der Reinheitskategorie in Religionen der Nachbarkulturen (z.B. Ägypten, Hethiterreich u.a.m.) gestellt und nach archäologischen Verifikationen der Reinheitsvorstellung gesucht (z.B. Opferpraxis, Reinigungsrituale u.a.m.). Auf der Grundlage der Analysen wird die Leistungsfähigkeit und Rezeption der Ordnungskategorie Reinheit in den Blick genommen. Als heuristisches Differenzierungsraster sollen dabei kulturanthropologische, materiell-physische, moralisch-ethische, semantische und textpragmatische, individuelle, kollektiv-soziale Aspekte dienen. In einem zweiten Schritt wird danach gefragt, welche der Aspekte, wie und unter welchen Voraussetzungen wann im Frühjudentum rezipiert werden. Folgende exemplarische Felder sollen dabei im Vordergrund stehen: die Reinheit der nachexilischen Gemeinde nach innen (z. B. Mischehen [Verbindung zum oben aufgeführten DFG-Projekt]) und die Rezeption der Speisevorschriften in der Zeit des zweiten Tempels im hellenistischen Judentum.

Mit den anthropologisch grundlegenden und gleichermaßen kulturell wie religiös konstruierten Ordnungskategorien "rein" und "unrein" wird auf literarischer Ebene im AT ausgehend von der Tora ein sakral konnotierter semantischer Raum konstituiert, durch den virtuelle, aber verletzbare Grenzen gesetzt werden. Spatiale und soziale Dimensionen spielen dabei eng zusammen und schließen moralische Transformationen mit ein. Reinheit wird so zu einer konstitutiven, differenzierenden, Identität stiftenden und katalysatorischen Kategorie der homogenen Großgruppe Israel, die eng mit einem anderen Konstrukt, der Heiligkeit, in Verbindung steht. Ziel des Projekts ist die Bestimmung der Voraussetzungen, Entwicklung und Entfaltung des symbolischen Ordnungskonstruktes der Reinheit im Frühjudentum. Dabei soll die alterisierende und abgrenzende Funktion des Konzeptes mit sozial- und territorialgeschichtlichen Entwicklungen korreliert werden. Das Projekt will einen Beitrag leisten zur Entwicklung und beschreibenden Profilierung und Differenzierung eines religiösen Grundbegriffs. Dabei sollen die Reinheitskonzeptionen der Tora unter besonderer Berücksichtigung der Reinheitskonzeption(en) des Numeribuches differenziert und in materialer, philologischer und literaturhistorischer Hinsicht profiliert und mit religionssystematischen und religionshistorischen Fragestellungen ins Gespräch gebracht werden. Auf diese Weise sollen nicht nur das Verhältnis von Reinheit und Heiligkeit in der Tora, sondern auch die Voraussetzungen für die Rezeption im Frühjudentum näher bestimmt werden.

Beteiligte Personen

Foto von Prof. Dr. Christian Frevel

Prof. Dr. Christian Frevel

Projektleitung

Universitätsstr. 150
44801  Bochum
Büro GA 7/149
+49 234 32-22611
christian.frevel@rub.de
CN

Assoc. Prof. Christophe Nihan

Kooperationspartner

Universitätsstr. 90a
44789  Bochum
Büro 2.08
christophe.nihan@unil.ch