Religion und Familie im Spannungsfeld von Konfessionalität und Pluralisierung
Workshop der DFG-Forschergruppe „Transformation der Religion in der Moderne“ an der Ruhr-Universität Bochum
Die Entwicklung individueller und kollektiver Identitäten ist ein komplexer Prozess, der mannigfaltige Auswirkungen auf gesellschaftliche Strukturen und Interaktionszusammenhänge hat. Im Laufe der Geschichte unterlagen Identitätszuschreibungen und -definitionen nicht nur einem Wandel, sondern sie bildeten selbst – als eine Dimension von Vergesellschaftungen – einen bedeutenden Faktor der Wandlungs- und Transformationsprozesse. Am Beispiel der Religiosität und deren konfessioneller Ausprägungen wird besonders deutlich, dass Bewusstseins- und Kommunikationsstrukturen und soziales Handeln in ihrer Verschränkung von der inneren Dynamik der Identitätsentwicklung und vor allem von der Tradierung der Identitätsmuster abhängen. Der Familie kommt dabei im individualgenetischen wie im gruppenspezifischen Kontext eine zentrale Bedeutung zu. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt als eine Umbruchsperiode im Hinblick auf soziale Beziehungen, gesellschaftliche Reproduktion und auch Selbstreflexion. Nach den Sozialisationskrisen der ersten Jahrhunderthälfte beschleunigten sich Prozesse der Deinstitutionalisierung, Enttraditionalisiserung und des Wertewandels. Für die Religion bedeuteten diese Prozesse einen sozialen Formwandel, der vor allem die kirchlich gebundene Religiosität und das kirchliche Teilnahmeverhalten betraf. Zugleich pluralisierten sich vor dem Hintergrund der Veränderungen der Geschlechterrollen und des generativen Verhaltens sowie der zunehmenden Frauenerwerbstätigkeit auch die Familienformen.
In diesem Kontext geht die Tagung der Frage nach, welche sozialisatorischen Voraussetzungen und Folgen die Transformationsprozesse im Bereich des Religiösen und der Familie nach dem Zweiten Weltkrieg hatten und wie sie mit dem Wandel von Identitäten zusammenhingen. Dabei kommt den Konfessionen als einem bedeutenden und integralen Identitätsmoment eine besondere Rolle zu. Um das Thema der Tagung in seiner Breite zu erfassen, soll in einem interdisziplinären und international vergleichenden Zugriff die Tradierungsproblematik in der Familie, aber auch in anderen Sozialisationsinstanzen u. a. aus der Perspektive des Milieus, der Migration, der interkonfessionellen Beziehungen oder der alternativen Religiosität thematisiert und diskutiert werden.