Die Einführung liturgischer Poesie in den karäischen Gottesdienst von Moses ben Abraham Dar‛ī bis Aaron ben Joseph

Ziel des vorliegenden Forschungsprojekts ist die Erschließung der liturgischen Verortung der karäischen liturgischen Poesie in der Zeit vor bzw. zeitgleich zu der Redaktion des karäischen Gebetbuches (d.h. im 12.-13. Jahrhundert). Der Hauptteil des untersuchten Textkorpus besteht aus einem Zyklus liturgischer Gedichte, verfasst im 12. Jahrhundert in Ägypten von dem karäischen Arzt und Dichter Moses ben Abraham Dar‛ī. Dieser Zyklus, der sich seinerseits an den liturgischen Zyklus der wöchentlichen Tora-Lesungen am Shabbat anbindet, soll in einer kritischen Textausgabe publiziert werden und als frühes Beispiel der Einführung poetischer Textformen und insbesondere der im andalusischen Kulturkreis entwickelten poetischen Normen analysiert werden. Die liturgische Verortung dieser Gedichttexte soll rekonstruiert und kontrastiv zu der späteren karäischen liturgischen Poesie untersucht werden, insbesondere zum Werk des Aaron ben Joseph dem Älteren, der im späten 13. Jahrhundert in Konstantinopel das karäische Gebetbuch kompilierte. Diesem Gebetbuch wird eine wesentliche Bedeutung bei der Einführung liturgischer Poesie in den karäischen Gottesdienst zugeschrieben, womit es einen nachhaltigen und bis heute gültigen Einfluss auf die karäische Liturgie ausübte. Aaron ben Joseph war mit der mittelalterlichen rabbanitischen Literatur vertraut und fügte in das karäische Gebetbuch nicht nur eigene Dichtungen, sondern auch Texte der andalusischen rabbanitischen Poesie ein. Die Analyse dieser Integration der andalusischen rabbanitischen liturgischen Poesie in das karäische Gebetbuch eröffnet neue und innovative Einsichten in den kulturellen und literarischen Transfer zwischen unterschiedlichen religiösen Gruppierungen.

Beteiligte Personen

EH

Prof. Dr. Elisabeth Hollender

Projektleitung

hollender@em.uni-frankfurt.de
JY

Dr. Joachim J.M.S. Yeshaya

Kooperationspartner

Büro GA 8/57
yeshaya@em.uni-frankfurt.de